Wenn das Tool stimmt und die Entscheidung für Produktion und Vertrieb der (Dienst-)leistungen in die Wege geleitet sind, stellt sich die Frage nach dem Nutzen. Eine Verbesserung der Wertschöpfungsfunktion bleibt eine pure Kalkulationsgröße, wenn Mitarbeiter das Digital Processing nicht als Arbeitserleichterung oder Kunden es nicht als Verbesserung der Leistung empfinden.

Digitalisierung 1.0 – Effektive Tools der neuesten Generation

Archiv, Information und Document Retrieval oder Vorgangssteuerung – Digitalisierung hat viele Wurzeln: Zu Beginn haben die Lösungsansätze eines oder einige der Phänomene in den Blick genommen. Ein erstes Ziel war und ist der Überblick über die Prozesslandschaft. IST-Prozesserhebung kann heute allerdings als Process Mining toolbasiert angegangen werden. Somit stehen heute die Ebenen Workflow zur Verbindung von Informationsinseln und zur Steuerung des Mitarbeitereinsatzes, Documentflow zur Verkettung digitaler und physischer Dokumente und die Funktionen der Entscheidungssysteme der Fachabteilungen mit gleicher Dringlichkeit im Fokus.

Ging es initial oft darum, „wieviel Standard“ die gefühlt komplett singulären Kernkompetenzen vertragen, so stellt sich heute zusätzlich die Frage nach Heavy- oder Lightweight IT. Automation kann neu gedacht werden und muss nicht mehr notwendigerweise als (Standard-) Anwendungsprogramm, sondern kann bspw. auch als RPA oder IPA-Bot, realisiert werden – dezentral, schnell und trotzdem koordiniert strategiekonform.

 

Digitalisierung 2.0 – Effiziente Strukturen, Prozesse, Produkte und New Work

Make, Buy, Ally – die alte Frage ist so aktuell wie die Frage nach der Kosteneffizienz. Nur, dass aktuell der War for Talents ein ganz neues Level erreicht hat: Right Skilled People sind im Spannungsfeld von Global und Sustainable Sourcing zu finden und zu binden. Wettbewerb entsteht in ganz neuen Marktsegmenten in kürzer werdenden Innovationszyklen. SLA-, Skill- und Performance-Management bleiben interne Aufgaben, aber die Frage nach der Weiterentwicklung von Produkten ist komplex – im verteilten Netzwerk von lokalen oder weltweite verteilten und unterschiedlich belastbaren Sourcingpartnern und regulatorischen Vorgaben.

Gerade in einer postpandemischen Gesellschaft stellen die neuen Formen verteilten Arbeitens und Führens – New Work – eine valide Herausforderung neben dem klassischen In- / Out- / Co-Sourcing dar. Desk Sharing und Retained Organisation sind plötzlich verwandte Instrumente im Steuerungs-Portfolio.

 

Digitalisierung 3.0 –Information Logistics, Primär- / Metadaten und IT-Sec

Moderne Informationslogistik, die Frage nach dem Management von wünschenswerten, verfügbar und (regulatorisch oder gesetzlich) notwendigen Daten, wirft ein ganz neues Licht auf Prozesse, Dokumente und Workflows.

Papier, der traditionelle Primärdatenträger stellt weiterhin die Frage: Frühes oder spätes, zentrales oder dezentrales Scannen – eAkte und Workflows oder eArchiv. Digital Processing bietet dann aber unmittelbar eine neue Quelle für die Vorgangssteuerung: Digitale Prozess- oder eben Meta-Daten – zu Steuerungs-, Abrechnungs- oder bspw. auch Schulungszwecken. Der Digital Footprint von Informations-Objekten (z.B. Anträgen) und -Subjekten (z.B. Sachbearbeitern) muss somit sowohl aus dem Blickwinkel der Logistik als auch der Daten- und IT-Security beherrschbar bleiben.

 

Digitalisierung 4.0 – Internet der Dinge und KI 

Industrie 4.0 und das Internet der Dinge scheinen schon fast zum Alltag zu gehören, aber alltäglich sind die damit verbundenen Zusammenhänge noch längst nicht. (Primär-)Daten und Informationen sind seit dem ersten Hype der sog. Wissens- und Informationsgesellschaft der 90er-Jahre in aller Munde, aber nachhaltig digitale Geschäftsmodelle und Produkte haben mehrere Wellen von Markt- und Technologiereife erfahren und stoßen auch heute noch an Grenzen und Herausforderungen.

Neue Technologien oder Künstliche Intelligenz können helfen, große Datenmengen mehrwertig zu nutzen – Near Time oder Real Time. Die Darstellung mehrdimensionaler Situationen, Lernen aus der Vergangenheit, die Simulation von Plan-Szenarien, Notfällen (BCM) oder Katastrophen und Krisen hat als Digital oder Citizen Twin im Gartner-Hype-Cycle® die Phase des „vielleicht“ hinter sich gelassen und ist inzwischen konkret machbar und hat plötzlich sogar wieder „ein Gesicht“.

 

Digitalisierung 5.0 – Society 5.0, Werte, Gesetze und Gesellschaft

Das digital Denkbare und die digitale Lebenswirklichkeit von Teilen der Gesellschaft sind selten synchron mit dem nationalen oder supra-nationalen regulatorischen und gesetzlichen Regelwerk.

Verwaltungen, Ministerien und Parlamente sind mit dem Verfahren zur Rechtsentwicklung zumeist aber mit der Entwicklung digitaler Instrumente und Welten eher selten vertraut und stellen somit – gemäß der Studie Society 5.0 – oft die unüberwindlichen „Walls of Administration und Ministeries“ genau dort auf, wo kreative Kräfte (im Guten wie im Bösen) Grenzen neu definieren wollen, um Organisations- und Gesellschaftsentwicklung voranzutreiben.

Nationale Alleingänge und Industrie- und supranationale Quasi-Standards sind ebenso gegeneinander abzuwägen, wie gesetzliche Vorgaben die Verwaltungsdigitalisierung zwar verbal auf dem Punkt bringen (eGovG / OZG: 575 Ansätze einzuführen bis 12/2022), aber weit hinter den Vorgaben zurückbleiben. Ein OZG 2.0 muss neu verhandelt werden und dieses Mal die Lessons Learnt aus digitalen und sicherheitstechnischen Vorreitern wie dem Finance Sector und den eigenen Fehlern mit allen relevanten und sprachfähigen Stakeholdern gemeinsam bedenken.

 

Digitalisierung 6.0 – der Mensch als Erfolgsfaktor via Mitarbeitermotivation und Kundennutzen

Wenn das Tool stimmt und die Entscheidung für Produktion und Vertrieb der (Dienst-)leistungen in die Wege geleitet sind, stellt sich die Frage nach dem Nutzen. Stück-Kosten, Kosten- und Zeiteinsparungen und somit wettbewerbsfähigere Strukturen, Prozesse und Leistungen oder regulatorische Vorgaben sind wichtige Treiber einer Digitalisierung. Noch vor diesen eher intern motivierten Ansatzpunkten ist aber ein objektiv spürbarer und subjektiv wahrgenommener Nutzen bei Kunde und Mitarbeiter der wichtigste Werttreiber der Digitalisierung. Eine Verbesserung der Wertschöpfungsfunktion bleibt eine pure Kalkulationsgröße, wenn Mitarbeiter das Digital Processing nicht als Arbeitserleichterung oder Kunden es nicht als Verbesserung der Leistung empfinden.

Digitalisierung ist somit Gegenstand von Markt- und Personalentwicklung gleichermaßen und auch Basis von ganz neuen Formen der Vernetzung und Vermittlung von Wissen und Konzepten für eine spürbare, ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Weiterentwicklung: Sustainable Change für resiliente Strukturen, Menschen und Gesellschaften. Bounce back in erprobte und bekannte Strukturen bei kurzen Störungen oder der neue Blickwinkel eines bounce forward in einer innovative Zukunft – Wandel beruht dabei immer auf dem Verständnis, der Einsicht und dem Willen von Menschen: Als Individuum oder Team, intern oder extern, als Veränderter oder Veränderer.

Der Trendforscher John Naisbitt hat dafür eine einfache Formel gefunden: High Tech – High Touch!